Benedikt XVI.: „Gesunde Laizität“ darf nicht zum Laizismus verkommen
Ansprache an italienische Juristen
Am Samstagnachmittag empfing Papst Benedikt XVI. im Vatikan die Mitglieder der italienischen Vereinigung katholischer Juristen. Anlass der Begegnung war der 56. Studientag der genannten Organisation, der sich mit dem Thema „Die Laizität und die Laizitäten“ befasste.
In seiner Ansprache hob der Papst die Bedeutung dieses Themas hervor. Da der Begriff der Laizität mannigfaltig ist, sei es unverzichtbar, über die verschiedenen Ebenen des Verstehens und der Verwirklichung der Laizität nachzudenken.
Die echte Bedeutung des facettenreichen Begriffs „Laizität“ könne nicht von seiner Geschichte losgelöst erfasst werden. Benedikt XVI. erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass sich in früheren Zeiten „laikal“ oder „Laientum“ auf die Gläubigen bezogen hatte, die weder Kleriker noch Ordensleute waren. Des weiteren diente das Wort zur Unterscheidung der zivilen von der kirchlichen Gewalt. In modernerer Zeit sei dann unter „Laizizät“ immer mehr die Verdrängung des Religiösen in die Privatsphäre und seinen Ausschluss aus dem öffentlichen Leben verstanden worden. Diesen Sinn von „Laizität“ sieht der Heilige Vater als ideologisch an; er bringe nämlich das Gegenteil dessen zum Ausdruck, was ursprünglich gemeint gewesen sei.
Heute überwiege vielfach dieser ideologische Wortsinn, fuhr Benedikt XVI. fort. „Laizität“ drücke für viele Menschen die vollkommene Trennung von Kirche und Staat aus: Der Kirche werde das Recht abgesprochen, sich in das Leben und Verhalten der Bürger einzubringen, und in der Folge würden religiöse Symbole aus öffentlichen Einrichtungen verbannt. Auf der Basis solcher Einstellungen sei heute „von laikalem Denken, von laikaler Moral, von laikaler Wissenschaft und von laikaler Politik“ die Rede.
Gott und sein die Vernunft überschreitendes Geheimnis sowie „ein Moralgesetz, das absoluten Wert besitzt und zu jeder Zeit und überall gilt, finden so keinen Platz mehr“. Die Laizität werde „zum Emblem der Postmodernität“, insbesondere der modernen Demokratie.
Aus diesem Grund forderte der Papst, dass die Gläubigen selbst ihren Beitrag zur Erarbeitung eines Laizitätsbegriffs leisteten, der Gott, dem Sittengesetz und der Kirche den ihnen gebührenden Platz gibt und zugleich die „richtige Autonomie der irdischen Wirklichkeiten“ positiv zum Ausdruck bringt. Benedikt XVI. zitierte dazu aus der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften haben ihre eigenen Gesetze und Werte, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muss“; eine derartige Autonomie sei „nicht nur eine Forderung der Menschen unserer Zeit, sondern entspricht auch dem Willen des Schöpfers. Durch ihr Geschaffensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften und Techniken eigenen Methode achten muss“ (Gaudium et spes, 36.). Wenn aber „Autonomie“ die Loslösung vom Gottesbezug meinen sollte, so liege der Irrtum dieser Annahme für alle auf der Hand, die an Gott und seine transzendente Gegenwart in der Schöpfung glaubten.
Die „gesunde Laizität“ besteht nach Papst Benedikt also nicht in einer Autonomie hinsichtlich der sittlich-moralischen Ordnung, sondern hinsichtlich der Kirche und ihrer Führungsbefugnisse. Jeder direkte Eingriff der Kirche in das politische Leben komme einer ungebührlichen Einmischung gleich. Aber: Die gesunde Form von Laizität bringe es zugleich mit sich, dass der Staat die Religion nicht nur als rein individuelles Gefühl anerkenne, das als solches auf den privaten Bereich beschränkt wird. „Die Religion muss als öffentliche gemeinschaftliche Gegenwart anerkannt werden“, betonte Benedikt XVI. Dies habe zur Folge, dass jeder Religionsgemeinschaft Kultfreiheit gewährt werden müsse – in geistlicher, kultureller, erziehungsmäßiger und karitativer Hinsicht.
Somit werde deutlich, dass die Feindseligkeit gegenüber jeder Form des politischen und kulturellen Gewichts von Religion und insbesondere gegenüber den religiösen Symbolen nichts mit einer „gesunden Laizität“ zu tun habe, sondern vielmehr mit ihrer degenerierten Form, dem Laizismus. Ebenso wenig sei es Ausdruck einer „gesunden Laizität“ des Staates oder des Gesetzgebers, wenn Christen und ihren politischen Vertretern das Recht verweigert werde, sich zu moralischen Problemen zu äußern.
„Es geht nicht um eine unbotmäßige Einmischung der Kirche in die Gesetzgebung“, erklärte der Heilige Vater. Diese liege ausschließlich in der Kompetenz des Staates; es gehe um den Erhalt der großen Werte – jener Werte nämlich, „die dem Leben der Person Sinn geben und ihre Würde schützen“. Diese Werte seien in erster Linie menschliche Werte: „Die Kirche hat die Pflicht, die Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung standhaft zu verkünden.“ Sie könne gegenüber den damit verbundenen ernsthaften Problemen nicht gleichgültig bleiben oder gar schweigen.
Bei der Problematik der Laizität geht es im Letzten darum, so Benedikt XVI., ersichtlich zu machen, dass Gott nicht der Widersacher des Menschen sei. „Gott ist Liebe“, und er will das „Wohl und Glück der Menschen“. Das göttliche Gesetz diene deshalb nicht dazu, den Menschen zu unterjochen. Es ziele darauf ab, „uns vom Bösen zu befreien und glücklich machen“.
Die Ausgrenzung der Religion aus dem öffentlichen Leben untergräbt nach Worten Benedikts XVI. die moralischen Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens der Menschen, die die Grundlage der sozialen und politischen Ordnung bildeten. „Der Mensch ohne Gott ist verloren.“